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Netzwerktreffen 2014


Bericht zum 14. Treffen des Netzwerks Lesben und Buddhismus
im Mai 2014, Frauenbildungshaus Zülpich

Unser Thema war: „Sitzen. Aufstehen. Aufbegehren. – Sozial engagierter Buddhismus.“ Wir waren vierzehn Frauen und haben vier wunderbare Tage miteinander verbracht und uns sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Ich war das erste Mal bei einem Netzwerktreffen und möchte meinen Bericht aus meiner persönlichen Perspektive heraus schreiben. Ich hatte von der Referentin Susanne von dem Treffen erfahren und praktiziere schon seit Jahren den gleichen Nichiren Buddhismus wie sie.

Ich möchte mich hiermit ganz herzlich bei allen bedanken. Das Thema des Kurses „Engagement“ wurde nicht nur besprochen, sondern gleichzeitig gelebt. Das Frauenbildungshaus Zülpich ist ein wunderschöner Ort, der von ganz viel hingebungsvollem Engagement zeugt. Es ist ein wundervoll gestaltetes Gelände und es gab freundliche liebevolle Frauen, die sich aufmerksam um uns gekümmert haben. Es gab unglaublich leckeres, gesundes, mit Liebe vorbereitetes Essen. Die Kursteilnehmerinnen haben alle zu der Gestaltung des Kurses etwas beigetragen, sei es organisatorisch oder, indem Frauen morgens vor der Morgenmeditation Yoga, Rückengymnastik usw. angeboten haben oder den Gong geschlagen haben. Alle haben in der Küche geholfen und abgewaschen. Hinzu kommt, dass ich mich sofort aufgenommen gefühlt habe. Selbst das Wetter war engagiert, denn es schien überwiegen die Sonne. Vielen herzlichen Dank!

Erster Tag

Am Donnerstag Abend fanden wir uns alle nach einem sehr leckerem Abendessen im Meditationsraum für das Eröffnungsplenum ein. Karin hat uns alle ganz herzlich begrüßt und wir haben uns dann in einem lockeren Spiel kennengelernt. Als wir uns in der Runde erzählt haben, welches Interesse wir an dem Thema haben, wurde schon sehr deutlich wie unterschiedlich die Schwerpunkte waren. Danach hat sich Susanne kurz vorgestellt. Nach dem Plenum begann das Edle Schweigen.

Hier möchte ich schon einmal einfließen lassen, dass das Schweigen für mich das tiefste Erlebnis des Treffens war. In meiner Tradition kennen wir die Praxis des Schweigens nicht, vielmehr wird mit viel Energie und Engagement geredet und gehandelt. Ich fand es ein sehr bewegendes Erlebnis, viel Zeit mit Frauen zu verbringen, die ich gar nicht kenne und einfach beieinander sein zu können. Ich fand es sehr schön, mit Menschen zu sein und gleichzeitig so stark bei mir selber sein zu dürfen. Vielen Dank für das wundervolle Erlebnis.

Zweiter Tag

Am Morgen haben wir mit Yogaübungen begonnen. Anschließend haben wir eine halbe Stunde in stiller Meditation verbracht. Nach dem Frühstück haben wir uns dann zum Plenum getroffen, um uns mit Susanne in Edler Rede auszutauschen. Der Vormittag hat sich in zwei Vorträge mit anschließenden Arbeitsgruppen gegliedert.

Vortrag Teil 1 und Arbeitsgruppen:

Susanne hat über sozial engagierten Buddhismus gesprochen. Natürlich kann ich an dieser Stelle nicht den Vortag wiedergeben, sondern werde nur die Aspekte kurz anreißen, die in den Diskussionen danach besprochen wurden. Es gibt den engagierten Buddhismus in ganz vielen Formen und Ausprägungen. Es gibt viele Buddhisten, die sich sozial, friedenspolitisch, ökologisch, menschenrechtlich und frauenrechtlich engagieren. Fraglich ist, ob sich gesellschaftliches Engagement schon aus der Buddhalehre selbst ergibt. Der historische Buddha war schon ein engagierter Buddhist. Er lebte in einer Zeit großer sozialer Umbrüche und großer technischer und philosophischer Entwicklungen und Errungenschaften. Die kleinen Königreiche zerfielen und die Menschen fühlten sich entwurzelt und verunsichert. Buddha hat sich nach seiner Erleuchtung nicht zurückgezogen, sondern als Lehrer versucht den Menschen einen Weg zu zeigen, sich vom Leiden befreien zu können. Es geht darum, das Leiden zu sehen. Es geht darum, die Ursache des Leidens zu erkennen. Es geht darum, an dieser Ursache etwas zu verändern. Dann hört auch das Leiden auf. Das sind die vier Wahrheiten. Die Befreiung vom Leiden ist möglich. Er lehrte u.a. die fünf Silas, die als ethische Grundregeln helfen sollten, dass Menschen sich nicht verletzen und sich nicht schaden. Der Buddha spricht von der Gleichwertigkeit aller Menschen. Sie sind alle mit dem gleichen Potenzial ausgestattet. Er weist deswegen konsequent auch das brahmanische Kastensystem zurück. Der Buddhismus hatte damit von Anfang immer auch eine soziale Dimension. In der buddhistischen Lehre ist von Anfang an aber auch die Vorstellung zentral, dass alles miteinander verbunden ist. Das Ich kann damit nie abgetrennt von seiner Umgebung gedacht werden. Das bewusst zu erleben, kann sich dann in einem spontan empfundenen Mitgefühl und einer unparteiischen Liebe ausdrücken, die nicht durch eine Tugendlehre oder moralische Norm auferlegt wurde. Diese Vorstellung wird in dem Bodhisattva-Ideal des Buddhismus formuliert. Kern der Bodhisattva-Philosophie ist der Gedanke, nicht nur selbst und allein für sich Erleuchtung zu erlangen und damit in das Nirwana einzugehen, sondern stattdessen zuvor allen anderen Wesenheiten zu helfen, sich ebenfalls aus dem endlosen Kreislauf der Reinkarnationen (Samsara) zu befreien.

In unserer Arbeitsgruppe haben wir uns vor allem mit der Frage beschäftigt, wie wir dieses Mitgefühl hervorbringen können, ohne es moralisch aus uns „herauszupressen“. Dabei haben wir darüber geredet, dass eine der Vorraussetzungen dafür auch das Mitgefühl für uns selber ist.

Vortrag Teil 2 und Arbeitsgruppen:

Das Bodhisattva-Ideal ist allerdings ein riesengroßes Ideal. In Anbetracht der Komplexität und Präsenz der Leiden in unserer globalisierten Welt, kann das Ideal aber auch zur Last werden und zu Überforderungserscheinungen führen. Susanne hat über die Schattenseite von Idealen gesprochen und dass zu viel des Gebens auch zu Burnout-Erscheinungen führen kann.

Sie hat Ratschläge formuliert, wie wir Burnout entgegenwirken können:

  1. Die eigenen Anstrengungen und Motivation kritisch hinterfragen.
  2. Größenfantasien aufgeben, konkret werden – geben, was wir zu geben haben.
  3. Hingabe an den Moment.
  4. Das buddhistische Verständnis vertiefen und die spirituelle Quelle des Engagements neu finden.
  5. Klarheit, Klarheit, Klarheit –  Reflektiertes Ja- und Neinsagen. Klarheit. Reflexionszeit. Meditationszeit. Der inneren Stimme, den tieferen Lebensschichten eine Chance geben.

In der Arbeitsgruppe, die auf den zweiten Vortrag folgte, haben wir darüber geredet, dass eine der wichtigen Vorraussetzungen, sich nicht selber mit Geben zu überfordern, achtsamer Umgang mit sich selber ist. Es ist wichtig, sich selber und seine Grenzen zu spüren – was kann und will ich wirklich geben? Es ist wichtig, Momente des Innehaltens am Tag einzulegen, in denen wir atmen und spüren, wie es uns geht. Am sinnvollsten schien es uns, diese zu ritualisieren. Bevor wir Entscheidungen unbewusst fällen und uns dann überfordern, scheint es sinnvoll, Reflexionsmomente einzulegen.

Resonanz-Spaziergang am Nachmittag:

Nach einem wunderbaren achtsamen und schweigenden Mittagessen in der Sonne hat Susanne mit uns einen Resonanz-Spaziergang gemacht. Viele Frauen haben hinterher im Feedback gesagt, dass ihnen dieser Teil des Treffens ganz besonders gut gefallen hat. Wir haben zusammen schweigend das Frauenbildungshaus als Gruppe verlassen und sind etwa ein halbe Stunde langsam in der Sonne, über einen Bach, an Feldern und zu einem kleinen Waldstück gewandert. An einer Wegkreuzung sind wir in alle Richtungen ausgeschwärmt. Susanne hatte uns folgende Anregung gegeben: Suche dir einen Ort, auf den du reagierst oder der auf dich reagiert. Versuche eine halbe Stunde, in Resonanz mit der umliegenden Natur zu gehen. Versuche zu erspüren, wo Resonanz stattfindet und verweile dann in dieser Resonanz an diesem Ort.

Nachdem wir danach schweigend in das Frauenbildungshaus zurückgekehrt waren, haben wir uns mit Kaffee und Kuchen im Garten versammelt und über unsere Resonanz-Erlebnisse geredet. Viele hatten sehr intensive Erlebnisse der Verschmelzung mit der Umgebung gespürt: „Ich bin die Blume.“ Es gab auch Projektionserlebnisse und Momente, in denen die Natur als Symbol verstanden wurde: „Die angebauten Weizengräser standen dort wie Soldaten, in Reih und Glied.“ „Die Gräser des Feldes haben sich im Wind bewegt und symbolisierten die Unendlichkeit.“

 Abendveranstaltung: Vorstellung Nichiren Buddhismus

Nach dem Abendessen haben Susanne und ich den Buddhismus vorgestellt, den wir praktizieren. Dabei haben wir über die Grundlagen geredet und die Meditationspraxis vorgestellt. Der Nichiren Buddhismus der SGI (Soka Gakkai International) versteht sich als sehr sozial engagierter Buddhismus. Ziel ist es, durch das Chanten von „Nam Myoho Renge Kyo“ vor einer Schriftrolle das eigene unbegrenzte Potenzial zu öffnen und es für sich und andere zu nutzen. In der SGI ist die Ausübung des Bodhisattva-Ideals, d.h. sich für andere Menschen in der unmittelbaren Umgebung einzusetzen, Teil der buddhistischen Ausübung. Es geht darum, für das eigene Glück und das der anderen zu praktizieren. Gleichzeitig wird die SGI auch politisch tätig, indem sie als NGO kulturelle und soziale Projekte unterstützt und als solche die UNO angegliedert ist.

An dem Abend haben Susanne und ich aber auch kritisch über die intransparenten Organisationsstrukturen der SGI und den Sektenverdacht gesprochen, unter dem die SGI in vielen Ländern noch steht.

Danach haben wir mit allen Frauen unsere Meditation praktiziert. Es wird laut und rhythmisch das Mantra wiederholt. Als Feedback wurde geäußert, dass die Meditation wirklich sehr schön klingt, wie ein schöner schwingender Chor. Als Wirkung wurde beschrieben, dass sie stabilisiert und Lebensfreude hebt. Sie hat eine dynamisierende, vielleicht sogar zu stark dynamisierende Wirkung. Kritisch wurde geäußert, dass es sich nicht gut anfühlt etwas zu chanten, wo man die Sprache nicht versteht.

3. Tag

Den Morgen haben wir mit Übungen begonnen und danach eine halbe Stunde in stiller Meditation verbracht. Danach wurde offiziell das Schweigen beendet. Nach dem Frühstück haben wir uns dann zum Plenum getroffen. Dort haben wir Fragen zu unserem Thema gesammelt, die wir noch weiter besprechen möchten. Dann haben wir uns in Arbeitsgruppen aufgeteilt, um über diese Fragen zu sprechen.

Die Arbeitsgruppen:

  1. Das Samsara als Brettspiel
  2. Wie gelingt mir verantwortliches Geben?
  3. Wie komme ich auf der Basis der Spiritualität ins Handeln?

Ich habe in Teilen in Arbeitsgruppe 2 und 3 teilgenommen. Wir haben darüber gesprochen, dass soziales Engagement teilweise als Identität aufgefasst wird und dass soziales Engagement von Eltern vorgelebt, oftmals unter Druck setzt. Dabei haben wir überlegt, ob Mitgefühl immer gleich in Handlungen einmünden muss. Manchmal ist es hilfreich, wenn wir Menschen einfach nur Raum geben und wahrnehmend für sie da sind. Außerdem gehen wir oft davon aus, was wir in einer vergleichbaren Situation brauchen. Aber nicht alles was für uns gut ist, ist auch für andere gut.

 

Am Nachmittag haben wir uns noch einmal in drei Arbeitsgruppen mit folgenden Themen getroffen.

  1. gehen-sitzen-sprechen (Resonanz-Spaziergang 2)
  2. Freiheit von und mit der Tradition
  3. Vorstellung und Austausch über die eigene Tradition und Praxis.

In der Arbeitsgruppe 3 habe ich mich mit Eva getroffen und sie hat mir ganz viel von ihrer Tradition und ihren Seminaren und Tätigkeit als Mentorin bei Silvia Kolk erzählt. Danach haben Eva und ich uns der Arbeitsgruppe 2 angeschlossen. Dort wurde vor allem kontrovers diskutiert, ob wir einen Meister brauchen. Es wurde aber auch überlegt, welche Rolle der „feministisch lesbische“ Buddhismus für den Prozess hat, dass die Weltreligion Buddhismus den Kulturkreis wechselt, von Asien nach Europa. Denn wir sind mitten in diesem Prozess und gestalten ihn mit!

Am Abend haben wir zunächst ein lustiges Spiel gespielt. Wir sollten uns vorstellen, wir sind Gruppen von Forscherinnen und machen eine interstellare Reise. Dort wo wir landen, finden wir Gegenstände, die in einer längst vergangenen buddhistischen Tradition benutzt wurden. Aufgabe war, in kleinen Gruppen als Forscher zu überlegen und der Gruppe vorzuführen, wie vergangenen Kulturen wohl für uns banal erscheinende Gegenstände wie Wäscheklammern und Hammer für ihre Mediationspraxis genutzt haben...

Als wundervoller Abschluss des Tages haben wir danach ein Lagerfeuer veranstaltet. Wir saßen um das Feuer herum und haben zur Gitarre gesungen.

4. Tag

Auch der letzte Tag begann mit einigen Körperübungen und stiller Meditation. Danach haben wir im Plenum über das Praxistreffen im Herbst geredet und das Organisationsteam hat sich bereit erklärt, ihre Aufgabe noch ein Jahr länger zu machen (Danke).

Danach haben wir eine sehr bewegende Feedbackrunde gemacht. Dabei wurde betont, wie schön es war, dass Susanne keine Distanz zu den anderen Teilnehmerinnen eingenommen hat und z.B. auch Dienste übernommen hat. Es wurde mehrfach betont wie besonders und schön der Resonanz-Spaziergang war und wie wundervoll harmonisch und achtsam die Gruppe miteinander war. Ich war jedenfalls ganz beseelt von dem Treffen und möchte mich noch einmal bei allen bedanken, die es möglich gemacht haben.

Liebe Grüße, Christina

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