Netzwerktreffen 2015


Bericht vom 15. überregionalen Treffen des Netzwerks Lesben und Buddhismus "Spirituelle und weltliche Gemeinschaften: Visionen und Erfahrungen", 14. bis 17. Mai 2015, Frauenlandhaus Charlottenberg

Freitag  "Spirituelle und weltliche Gemeinschaften: Visionen und Erfahrungen"
Vor dem Frühstück:

Ulrike leitet einen ausführlichen Body Scan für uns an, danach 25 Min. stilles Sitzen.

10 Uhr: Ulrike und Eva zu Spiritualität und Gemeinschaft

Ulrike beginnt mit einem Überblick der Geschichte der Beginen, im Mittelalter lebten ca. 5 % der Frauen als Beginen. Sie schafften und teilten eine spirituelle / religiöse und die soziale Struktur, und arbeiteten in unterschiedlichsten Handwerken.

Besonders für ihre sorgende und heilerische Tätigkeit waren sie in den Gemeinden anerkannt. Nach neueren historischen Untersuchungen wurden sie zwar zeitweise von Kirche und Kommunen reglementiert, aber wenig direkt inquisitorisch verfolgt.

Die neuere Beginenbewegung

Mittlerweile gibt es 13 bundesweite Beginenhöfe und viele Initiativen. Vernetzung und die Frage „Was wollen wir miteinander leben?“ sind durchgängige Themen. Außer Sachthemen haben im Laufe der Jahre auch meditative Kreistänze, eine Zeichenspirale und die Form der Kreisgespräche Platz gefunden. Für Inhaltliches gibt es die „Denkorte“ als dauerhafte Arbeitsgruppen, im „Denkort Spiritualität“ geht es auch um schamanisches Wissen.

Neun der insgesamt 13 existierenden Beginenhöfe sind in Nordrhein-Westfalen ansässig.

Unter www.dachverband-der-beginen.de findet Ihr ganz ausführliche Informationen, auch über die einzelnen Höfe. Deshalb konzentriere ich mich auf Stichworte, die Ulrike und Eva besonders wichtig waren, oder mir ;-)

Beginenhof Dortmund

Dort lebt Ulrike seit bald 10 Jahren, das Projekt war anfänglich nicht besonders spirituell ausgelegt, die Zusammensetzung ist recht heterogen. 31 Frauen und 4 Kinder, Alter der Frauen zwischen Mitte 30 und Mitte 80, mit Schwerpunkt um die 50; ca. 40 % Lesben. Die ‚unterstützende Nachbarschaftlichkeit’ ist hoch entwickelt.

Mittlerweile gibt es eine offene Meditationsgruppe, mit ‚Körper-spür-übungen’ und Ulrikes kleinen Zengarten, mit selbstgebauter Tara.

Stichworte, Fragen und Ent-Täuschungen:

Beginenhof Köln

Geschichtliches: Es gab in Köln früher 160 Beginenhöfe!

Der Verein Beginen Köln e.V. ist seit 20 Jahren aktiv und hat 80 Mitfrauen. Rechtsform des Beginenhofes ist eine eingetragene Genossenschaft, deren einziges Ziel die ‚Schaffung preiswerten Wohnraumes für Frauen’ ist. Dort leben seit eineinhalb Jahren 27 Frauen – davon 7 Lesben - zwischen 60 und 77 Jahren. Davon sind fünf im Vorstand und fünf im Aufsichtsrat aktiv.

Die wöchentlichen Hausgruppe beginnt mit einem gemeinsamen Innehalten – kurzem Schweigen aller Frauen.

Daneben gibt es diverse Arbeitsgruppen, darunter „Himmel und Erde“, die sich um spirituelle Themen und Befindlichkeiten kümmert. Im Garten gibt es ein Labyrinth, es gab bei der Grundsteinlegung ein Ritual und eine Einweihung der Wohnungen.

Hervorgegangen aus und eng verbunden mit dem Verein Kölner Beginen werden schon zahlreiche Veranstaltungen im großen Raum angeboten.

Der ‚Raum der Stille’ ist nicht von allen Beginen finanziert worden, sondern trägt sich über Spenden, eigene Veranstaltungen und Vermietungen.

Gleich in den ersten Monaten erkrankte eine Begine schwer und verstarb auch bald. Sie wurde von den anderen Beginen in der Klinikzeit begleitet. Die trafen sich abends auch im Raum der Stille und praktizierten für sie, in der je eigenen Form. Nach ihrem Tod wurde sie im Haus aufgebahrt, wo sich alle verabschieden konnten.

Im anschließenden gemeinsamen Gespräch ging es viel um den Umgang mit Krankheit und Tod, das Herausfordernde aber auch das Verbindende – gelebte Praxis.

Und die Frage nach Freundschaften in und außerhalb der Projekte:, wie viele nähere und nahe Kontakte wünscht sich Eine? Was ‚darf’ / kann / muss auch außerhalb gelebt werden? Bleibt Zeit und Energie dafür.

Nachmittags

Ira und Katrin berichten "nach-mittags" - "nach-Kuchen" - müsste das eigentlich heißen ;-) - über die buddhistische Gemeinschaft Bhavana Vihara

Der Verein wurde 2008 gegründet mit dem Ziel‚ das Buddha-Haus im Norden’ zu schaffen, ein Meditationszentrum und eine buddhistische Gemeinschaft. In der wechselnden Gruppe waren Frauen aus Hamburg (mehrheitlich) und vom Land. Projektberatung mit der „Dragon dreaming“ Methode.

Ein großes Objekt in Schleswig-Holstein konnte unerwarteteterweise doch nicht erworben werden. Die Suche führte nach Niedersachsen, südlich von Bremen. Es kam zur Entscheidung, die Lebensgemeinschaft nicht mehr nur auf einen Ort zu konzentrieren. Seit Ostern 2013 leben sieben FrauenLesben in drei Häusern, die je eine viertel Stunde von einander entfernt sind, plus zwei Frauen, die lose verbunden sind.

Seit 2014 wird eine Scheune zur Meditationshalle ausgebaut.

Monatliche Sonntags-Meditationen, größere Kennenlerntage und einen 3-monatigen Gästestatus.

Hilfreiches bei Konflikten und Kommunikationsproblemen wird gesucht und praktiziert, Kreisgespräch und ‚Prayers’ ( s. a. unter Sonntagsbericht ).

Die tägliche Meditationspraxis ist unterschiedlich regelmäßig und intensiv.

Das Projekt ist grundsätzlich offen für Männer.

Frage: Wie fühlt sich diese Form von Gemeinschaft an?
Antwort: Gefühl von Verbundenheit, auch ohne gemeinsames Wohnprojekt.

Mehr: www.bhavana-vihara.de

17 Uhr

Petra praktiziert seit ca. 20 Jahren in der tibetischen Tradition und ist mit drei Sanghas enger verbunden. Sie schickt voraus, dass die tibetischen Höflichkeitsregeln nicht nur Konventionen folgen, sondern einen tieferen Sinn haben. So sollen beispielsweise die Fußsohlen nicht in die Richtung von Verehrungsobjekten ausgestreckt werden, weil sie als Sitz des Chakras für den Höllenbereich, für Hass und Zorn, gelten.

Beziehungen und Gemeinschaften

„Alles ist mit allem verbunden“ – als Symbol gibt es im Tibetischen dazu den "unendlichen Knoten". Daher auch Bodhicitta – Erleuchtung zum Wohl aller Wesen – es gibt keine isolierte Verwirklichung.

Wechselseitige Beeinflussung, ständig, sichtbar und unsichtbar, wir alle sind ständigen Einflüssen ausgesetzt und beeinflussen alles.

Sangha ist eine Zuflucht, deshalb ist es wichtig, den Sangha nicht (auf)zu spalten, Konflikte nicht ‚zu kultivieren’.

Praktische Erfahrungen, zum Beispiel bei mehreren 10-wöchigen Retreats (‚Meditationsschule’): Die hehre Theorie hält im Alltag nicht unbedingt.

Im tibetischen Buddhismus existiert der Begriff der ‚Vajra-Familie’, der weitergehend ist als die ‚Noblen Freundinnen’ im Theravada. Er drückt aus, dass spirituelle Verbindungen über ein Leben hinaus bestehen. Das kann in manchen Begegnungen erfahren werden und sehr bewegend, beglückend sein.

Wichtig ist das Zusammenkommen von vertikalen und horizontalen Verbindungen, in denen die Personen Vorbilder finden und selbst auch sind, darin liegt auch das Wesen von Bodhicitta.

Nach dem Abendessen

haben wir ein Kreisgespräch gemacht zu der Frage „Welches Beispiel von Gemeinschaft hat Dich heute am stärksten beeindruckt?“ – in zwei Runden. Mitte 2015

Sehr intensiv habe ich das in Erinnerung, wie auch den gesamten Tag. Sowohl inhaltlich als auch im Gefühl unserer momentanen Gemeinschaft.

Einige hatten dann noch Kapazitäten und haben den Film „Warum sind wir nicht einfach glücklich... „ über Ayya Khema angeschaut

(Bericht Freitag: Jutta).

Samstag

Am Samstag wählten wir für den Vormittag aus den gesammelten Wünschen zunächst den Fernsehfilm über die Beginen Köln (bzw. zwei Beginen aus Köln), den Eva mitgebracht hatte, und das Thema „Wohin mit NLUB?“ aus, und für den Nachmittag alternativ einen Resonanzspaziergang und das „Spiel der Befreiung“.

Der Film „Fast wie eine Familie – Leben unter Frauen“ (online) gefiel uns – abgesehen vom Titel – gut und ergänzte schön das, was Eva und Ulrike am Freitag über ihre „beginischen“ Erfahrungen erzählt hatten. Eva fehlt in der fertigen Fassung des Films vieles, was zu Feminismus und Spiritualität gesagt wurde. Allerdings sieht sie auch, dass eine Praxis der Spiritualität erst noch entwickelt werden muss. Der Film zeigt auch, dass Lesbischsein im Beginenhof kein Problem, allerdings auch nicht wirklich ein Thema ist – mehr Sichtbarkeit wäre hier wünschenswert.

Und der Film macht sehr deutlich, was ganz gewiss eine Herausforderung für die modernen Beginenhöfe, vermutlich aber auch für andere Gemeinschaften ist: Vielen, die einziehen, fehlt aus ihrem bisherigen Leben schlicht das Know-How für Gemeinschaft – das führt zu vielerlei Ent-Täuschungen.

Wohin mit NLuB?

Karin ließ nochmal die bisherigen Themen in NLuB Revue passieren, die, so ihre Wahrnehmung, sich recht organisch auseinander entwickelt haben – allerdings war die Gesamtsituation bis vor einnigen Jahren anders, da insgesamt sehr viel mehr Lesben kamen, alle drei Hauptrichtungen des Buddhismus stets vertreten waren, mehr Frauen mit sehr langjähriger Erfahrung und auch etliche Lehrerinnen dabei. Ist das Netzwerk deswegen heute „schwächer“?

Wichtig ist die Frage, was die Lesben heute zu den Treffen bringt? Geht es mehr um die Bearbeitung eines Themas, oder mehr um Beziehungspflege? Wir waren uns einig, dass beides wichtig ist, die schöne Atmosphäre und das sich aufgehoben fühlen – wunderbar, aber nicht genügend – wir wollen auch spannenden, herausfordernden Stoff für den (Herz)Geist. Und wir waren uns einig, dass ein vielfältiger, feministischer Anspruch unbedingt im Netzwerk eingelöst wird!

Am Abend, nach dem Resonanzspaziergang der einen und dem „Spiel der Befreiung“ der anderen, gab es dann wegen Regen doch kein Feuer, stattdessen aber Gitarrenklänge von Judith und viele, zum Teil auch mehrstimmige Lieder. Schön!

Sonntagsplenum

Katrin von Bahvana Vihara führte uns in eine besondere Art des „Prayers“ ein, einer Methode der Herzöffnung in Dreiergruppen – jeweils eine Frau vollendet einen Satz, die zweite hört zugewandt zu und die dritte nimmt einfach wahr. Die drei Sätze:

1. Ich bin dankbar für …,
2. Eine Angst, die ich habe, ist …, und …
3. Ich bin offen … zu empfangen.

Eine sehr stimmige Art, ein Plenum (und sicher auch andere Gruppensitzungen) zu beginnen.

Die Erfahrungsrunde zeigte sehr viel Zufriedenheit, Verbundenheit und Dankbarkeit für die (mit-)geteilten Erfahrungen und Einschätzungen. Besonders die Einbeziehung des Kreisgesprächs fand viel Anklang – das ist eine Intensität und Kraft der Kommunikation, die das Netzwerk sehr bereichert.

Von den Orga-Frauen wurde als sehr positiv und erleichternd erlebt, dass viele verantwortlich mitwirkten – das wäre auch weiterhin wünschenswert!

Das besondere (Edel-)Stein-Geschenk, von Karin bei ihrer speziellen Steine- Freundin bestellt, ist ein mehrjährige schöne Tradition – diesmal gab es komponierte Steinanhänger am Band für alle Referentinnen und Orgafrauen – Karin wird nachträglich ein Geschenk bekommen!

Petra, Karin und Nicole werden die Organisation weiterhin übernehmen, wünschen sich aber, da Maria nicht mehr dabei ist – wir haben sie vermisst – (mindestens) eine vierte dazu. Und: Diese vierte kann jederzeit dazu kommen!

Termine:

Die nächsten beiden Treffen werden wieder in Zülpich stattfinden: Die Praxistage 2015 vom 16.-18. Oktober, und das längere Netzwerktreffen 2016 vom 26.-29. Mai.

Nach dem sehr verbindenden Abschiedsritual hieß es mal wieder Abschied nehmen – den Kreis öffnen und die Verbindung im Netzwerk mitnehmen in den Alltag.

(Bericht Samstag und Sonntag: Ulrike).

 Gruppe 2015