Praxistage 2011


Bericht über die Praxistage im Oktober 2011 mit Claudia Webinger

MitteVom 28. – 30. Oktober haben wir die 6. Praxistage des Netzwerkes Lesben und Buddhismus in Zülpich gehalten. Claudia Webinger, eine Gründerfrau des Netzwerkes, hat die Tage geleitet unter dem Thema: Tara und ihre Gefährtinnen, Weibliche Weisheit in der tibetisch-buddhistischen Praxis (siehe auch die Ankündigung der Praxistage). Es waren sehr intensive und eindrückliche Tage.

Wir fingen Freitagabend an mit einer Begrüßung durch Karin vom Orga-Team. Claudia hat dann die Leitung gleich übernommen und uns alle gebeten uns vorzustellen, mit unserem Namen und unserer Erfahrung mit Meditation. Ich fand es sehr spannend, dass so viele Frauen neu da waren, um die tibetische Tradition mit Claudias Einweisung zu erleben.

Claudia hat das Wochenende eingeführt mit einer Annäherung an die Tara als Buddha Tara. Sie hat uns bekannt gemacht mit Tara als einer Einheit, sowie als Grüne Taramit ihren 21 verschiedene Erscheinungsformen. Auch in jeder von uns ist die Tara in all ihren Formen verkörpert. Sie hat uns Tara vorgestellt als eine, die gelobt hat, als Frau für Frauen da zu bleiben bis es kein Samsara mehr gibt. Sie hat erläutert, dass wir an diesem Wochenende Tara in uns erleben dürften; durch Visualisierung, durch Klang und durch Licht in uns. Wir sollten keinen Druck empfinden, sondern uns einfach öffnen und geschehen lassen.

Wir haben die Texte, die Claudia an diesem Wochenende rezitieren wollte, in Kopie bekommen und mit Variationen immer wieder darüber meditiert. Sie hat uns mit einer Visualisierung an die Grüne Tara herangeführt und uns dann in das Edle Schweigen geschickt mit der Hinweis, wir könnten unseren Kopf einfach in den Schoß der Grüne Tara legen und so geborgen und geschützt einschlafen. Das edle Schweigen sollte uns Raum geben, um die Tara in uns aufzunehmen und um unsere eigenen Buddha Natur zu öffnen. Wir haben dann das Mantra „OM TARE TUTTARE TURE SOHA“ sehr meditativ rezitiert und sind schlafen gegangen.

Am nächsten Morgen um 7 Uhr saßen wir alle wieder da und Claudia hat eine Anleitung in gutem Sitzen gegeben. Wir nahmen Zuflucht zu Buddha Tara, Dharma und Sangha. Claudia hat das Lob der 21 Taras rezitiert und wir haben in Stille meditiert. Dann haben wir wieder das Tara Mantra lange gesungen. Claudia betonte, dass der Klang in uns bleibt, und dass damit auch Tara in uns bleibt.

Danach hat Angelika uns in Yoga-Übungen geführt, die die Energie der Tara sehr schön aufgriffen und unterstützten und die uns entspannt und gestärkt haben. Bevor wir zum Frühstück gingen, hat Claudia uns ermutigt, in der Tara-Energie zu bleiben, in den stillen Begegnungen mit anderen Tara zu sehen, und auch in uns selbst die Tara zu spüren. So blieb sie Schutz und Stärkung für uns. Und dann gab’s Frühstück!

Dieser Rhythmus wurde auch am Sonntagmorgen eingehalten. Um 10 Uhr trafen wir uns wieder. Nun ging es darum, uns tiefer mit den 21 Taras zu beschäftigen. Wir haben wieder die Grüne Tara und auch die Lebewesen um die Grüne Tara visualisiert, sowie Marici rechts und Khadiravani Tara links von ihr. Dann haben wir uns die 21 Taras als einen Regenbogen um sie herum visualisiert. Wir haben den Lobpreis an die Einundzwanzig Taras rezitiert und sind ihnen in ihrer Verschiedenheit begegnet. Es gibt goldene, rote, weiße und schwarze Taras. D.h., auch zornvolle Aspekte sind vorhanden, sodass auch diese  Energie befreit werden kann. Claudia hat viel über diese Energien in uns allen erzählt und nach einer Pause haben wir Fragen zu alledem gestellt. Jede der Taras hat ihre eigene Qualität: ob goldene Taras mit ermutigender, bereichernder, stärkender Energie oder weiße Taras mit besänftigender, hinnehmender, Frieden ausströmender Energie, oder rote Taras mit charismatischer, Liebe und Mitgefühl ausströmender Energie, oder schwarze Taras mit Zerstörung ausstrahlender und notvertreibender Energie. Und die Grüne Tara beinhaltet alle diese Energien. Alle miteinender schenken sie uns eine Bildhaftigkeit, die uns helfen kann Klarheit zu erlangen. Es ist ein Angebot und wir sollen das, was uns im Moment gut tut, auf uns wirken lassen, um zu erfahren, was uns befreit, stärkt und erweitert. Die Überlieferungen können die Vertiefung und Verwirklichung der eigenen Praxis stärken.

Ich bin mir nicht mehr sicher, wann genau Claudia uns eingeführt hat in das „Siebengliedrige Gebet von Bhikshuni Ma Pälmo“. Jedenfalls, haben wir es rezitiert und später am Samstag dann eine sehr schöne Übung damit gemacht. Wir haben eine Partnerin gesucht und mit ihr dieses Gebet „umgesetzt“. Zu jedem Abschnitt haben wir uns „voll Respekt verneigt“ vor unserer Partnerin. Jedes Paar erfand ihre eigene Weise, die Handlungen und Bitten im Gebet zu realisieren oder zu visualisieren. Das ist auch eine Form des Meditierens. Claudia sagte, dass wir versuchen sollten, die heilsamen und unterstützenden Aspekte in jeder Beziehung damit zu würdigen und weiter wirken zu lassen.

Nach dem Mittagessen und einer Pause haben wir uns am Nachmittag wieder getroffen und wir haben wieder mit Tara Puja angefangen. Diesmal haben wir uns vor allem mit den 21 Taras beschäftigt und deren spezifischen Energien angeschaut. Wir sollten versuchen herauszuspüren, zu welcher Tara wir uns persönlich im Moment hingezogen fühlten. Bei der Rezitation vom „OM TARE TUTTARE TURE SOHA“ haben wir dann unser eigenes Tarabild aus der Mitte geholt, und manche Überraschungen erlebt dabei! (Das Tara Tarot lag verdeckt ausgelegt). Danach bekam jede ihre Tara als Malvorlage und wir haben angefangen die Bilder meditativ mit Buntstiften auszumalen, um uns in die Energie unserer Tara zu vertiefen. Es gelang kaum einer ihr Bild fertig zu stellen, aber es war schön zu beobachten, wie im weiteren Verlauf die eine oder andere dabei war, weiter zu malen an „ihrem“ Bild! Wir wurden nun aufgefordert uns in einem zweiten Schritt weiter mit unserer Tara-Energie zu befassen. Es wurden Gruppen gebildet. Alle Gruppen sollten frei malen oder musizieren oder schreiben oder tönen … und anschließend wurden die Ergebnisse vorgeführt.

Abends kamen wir wieder zusammen und haben Tara Puja gefeiert mit einem besonderen Akzent auf unserer jeweiligen persönlichen Tara und ihrer Energie. Inzwischen hatten alle ihre eigene Beziehung zu ihrer Tara gefunden und waren berührt von der Wirkung. Nach der Tara Puja hat Claudia ein selbst verfasstes Gedicht vorgelesen zur heilenden Tara und uns wieder verabschiedet mit dem Wunsch, dass wir beim Einschlafen unseren Kopf in Taras Schoß legen.

Der Sonntagmorgen fing an wie der Samstag. Um 10 Uhr kamen wir zusammen, um unsere tibetische Meditation zu beenden. Wir haben die ganze Tara Puja gefeiert: Visualisierung der Grünen Tara, Visualisierung der Lebewesen, Zuflucht zu Tara und den drei Juwelen, der Wunsch Bodhicitta zu entwickeln, die vier unermesslichen Haltungen von Liebe, Mitgefühl, Freude und Gleichmut, Mantra-Rezitation, Auflösung der Visualisierung, Drei Herzenswünsche und Widmung.

Wir haben den 21 Taras besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wir gingen den „Lobpreis an die Einundzwanzig Taras“ durch und jede hat sich vorgestellt, als „ihre“ Tara an die Reihe kam. Claudia hat die besondere Energie jeder Tara hervorgehoben und betont, dass alle Energien in uns allen sind, wie auch in der Grünen Tara selber. Die ganze Gruppe hat sich vor jede Frau und ihrer besonderen Energie verneigt und sie so geehrt. Danach hat jede ein „Frucht“ aus der Fülle der Tara bekommen - aus einem Erntedankkorb, der die ganze Zeit an Taras Altar stand. Wir haben die Puja abgeschlossen mit der Widmung: „Möge jede die gute Energie dieser Praxis mit sich nach Hause nehmen.“

Nach einer Pause war das Orga-Team dran! Wir haben eine ausführliche Runde gemacht, in der jede erzählen konnte, wie das Wochenende für sie war. Viele haben berichtet, wie berührt sie waren vom Tara Puja und ihrer eigenen Tara, die sie gezogen hatten. Auch das Schweigen wurde als Bereicherung erlebt. Die Fülle der 21 Taras wurde aber zum Teil auch als Überforderung erlebt.

Buddha Natur wurde wirklich erlebbar durch die Art wie Claudia mit uns praktiziert hat. Sie ging sensibel auf unsere Bedürfnisse ein, gab genug Raum für die persönliche Erfahrung und unterstützte uns darin, als Frauen in diesem System anzukommen. Auch die praktische Umsetzung des „Siebengliedrigen Gebets“ wurde als besonders eindrücklich empfunden und das Schweigen haben viele als Bereicherung erlebt. Für manche war die Fülle der 21 Taras aber auch eine Überforderung!

Da es so viele neue Frauen gab, hat das Orga-Team beschlossen, den Weg des NLuB kurz darzustellen. Claudia war eine der Gründungsfrauen! Sie hat den Anfang des Netzwerks kurz dargestellt und das Orga Team hat die weitere Entwicklung erzählt. Besonders wichtig sind neue Überlegungen, (die eigentlich auch am Anfang schon bestanden!), wie wir als Lesbennetzwerk sichtbarer werden können, als Lesben, die unterwegs sind mit dem buddhistischen Meditieren. Im Laufe dieser Praxistage hat Claudia uns daran erinnert, wie wichtig Klarheit über unsere Absicht beim Meditieren istund durch ihre Art uns zu führen ihre eigene klare Absicht vermittelt. Ich habe es erlebt als ein Beispiel von Meditieren können mit dem Bewusstsein, Lesbe zu sein in Beziehung zu anderen und in Beziehung zu Tara und ihrer Erscheinungsformen. Ein Gefühl der Toleranz wurde für mich wahrnehmbar. Jede von uns sollte so praktizieren, dass es ihr gut tat, aber auch mit der Absicht in der Tradition des tibetischen Buddhismus bleiben. Spürbar war für mich, Claudias Autorisierung, tibetische Meditation gemäß der Tradition zu leiten, auch wenn sie manche neue Wege zu gehen schien.

Diese Frage der Autorisierung angesichts unseres Lesbischeseins und jene der Sichtbarkeit werden uns als Netzwerk wohl weiter beschäftigen, etwa beim Treffen 17.-20. Mai 2012.

Zum Abschluss haben wir einen Kreis gebildet und ein Band herumgereicht. Dann haben wir viele gute Wünsche in unseren Bandteil gewoben, unser Stück abgeschnitten, und einer anderen umgebunden! Mit diesem verbindenden Segen gingen wir auseinander und auf unseren je eigenen Weg – mit und ohne Mittagessen!

Nicole