Praxistage 2014


Zülpich Oktober 2014 - NLuB Praxistage zum Thema: „Mir und dem Anderen begegnen – in Freundlichkeit und Mitgefühl“

Herbstwetter - 10 Teilnehmerinnen - 4 Orgafrauen – Referentin Katharina Schmidt - Sitzen - leckeres Essen – edles Schweigen – Tantrasingen – Kreisgespräch – Hören – Sprechen – Qi Gong – Neues – Bekanntes – Fremdes – Individualität der Praktiken und spirituellen Zugehörigkeitsgefühle – Körper – Geist – Seele – Tara-Singen in der Tara-Klause – Einheit – Getrenntheit – Herzschlag – Sitzen – Kreis – Vielfallt – Fülle…

So würde das Wortflimmertelegramm lauten, aber ich möchte auch noch etwas genauer berichten:

Ich bin 2014 zum zweiten Mal in Zülpich bei den Praxistagen des Netzwerks Lesben und Buddhismus. Einige der Frauen fühlen sich vom letzten Treffen noch vertraut an und es ist ein freudiges Wiedersehen – auch schon im Vorfeld der netten Mitfahrgelegenheit.

Allein darin liegt schon ein gewisser Zauber dieses Netzwerkes. Ich spüre ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit und zugleich genieße ich es mit so vielen mutigen Individualistinnen zusammenzukommen. Frauen, die es scheinbar wissen wollen – und die nicht aufgehört haben, einen spirituellen Weg zu suchen und zu gehen, der in ihrem Leben zwar stets neue Fragen aufwirft, aber auch immer wieder neue Antworten und Lebensperspektiven ermöglicht.

Der Schwerpunkt des diesjährigen Treffens ist das Kreisgespräch. Das Kreisgespräch – eine spirituelle Praxis, die die Referentin Katharina Schmidt in den Kreisen der Zen-Peacemaker

(Bernie Glassmann und Barbara Wegmüller) erlernt und uns mitgebracht hat. Wir sitzen ebenfalls im Kreis und hören zu Beginn die wichtigsten Regeln dieser Praxis. Sie klingen recht einfach – auch etwas verblüffend, weil sie so wenig unseren Konventionen des Sprechens und Zuhörens entsprechen. Wichtig sind erst einmal die drei Grundhaltungen:

  1. Von Herzen sprechen: wir versuchen, möglichst ungefiltert und eher selbstvergessen, meditativ aus freiem Herzen zu sprechen – nur von uns aus und ohne dabei Bezug auf vorher Gesagtes herzustellen.
  2. Vom Herzen zuhören: wir versuchen zuzuhören, uns berühren zu lassen – und dabei offen zu bleiben.
  3. Schlankes sprechen: wir erzählen so viel oder wenig, wie wir sagen müssen, oder schweigen, wenn es sich schweigend vermitteln möchte, und sprechen im Respekt vor der gemeinsamen Zeit.

Von Herzen zu sprechen, erfordert viel Vertrauen und einen geschützten Raum. Aus unserem Alltagsleben wissen wir, wie kostbar ein solcher Raum ist und wie selten er von alleine entsteht. Für das Kreisgespräch gelten daher Regeln, die diesen Rahmen sicherstellen wollen:

Das sogenannte „Nicht über das Feuer sprechen“ stammt wohl aus der bildlichen Vorstellung: viele Menschen sitzen um eine Feuerstelle, aber man spricht nicht als Reaktion auf andere (dialogisch = also über das Feuer hinweg), sondern nur aus sich selbst heraus- dem eigenen Herzen und dem, was sich darin gerade zeigt.

Die zweite Voraussetzung für das Gelingen ist die vereinbarte Vertraulichkeit: wir erklären uns einverstanden, alles was wir gesagt und gehört haben, in diesem Raum zu belassen und nicht irgendwann später die eine oder andere auf ihre Äußerungen anzusprechen.

Mit einer Widmung entzündet eine Frau eine Kerze und nimmt das talking piece (in diesem Fall einen faustgroßen, schweren Turmalin) in die Hand und beginnt, aus ihrem Herzen zu sprechen. Wir anderen hören mit offenen Herzen zu. Sie hat fertig gesprochen und legt als Zeichen dafür die Hand auf den Boden – sie reicht den Stein an ihre Nachbarin weiter.

Sabine hat uns ein Thema vorgegeben: „Was ist unsere größte Sehnsucht in unserer Spiritualität ? “ Wir sprechen und hören – Worte – Pausen – Tränen –Schweigen - Worte – der Stein wandert durch unsere Hände und wird immer heißer. Als ich an der Reihe bin, spüre ich, wie viel Resonanz in mir schwingt, Mitgefühl und ich spüre mein Herz. Es gelingt auch mir, ein bisschen von dort zu sprechen. Katharina spricht innerhalb des Kreises so wie wir – aus ihrem Herzen. Im Kreis gibt es keine Anleiterin und Teilnehmerinnen –im Kreis sind wir alle ganz aus dem Herzen da. Es geht in die zweite Runde: als der Stein wieder meine Hand erreicht, haben sich meine Gefühle gewandelt. Ich empfinde mich und auch die anderen weniger nah als eben noch – denn jetzt ist jede tiefer in ihr ureigenes Thema gegangen – die Verbindung besteht jetzt eher energetisch und durch unser Im-Kreis-Sitzen. Zum Abschluss spricht eine Frau eine Widmung und löscht die Kerze. Damit ist das Kreisgespräch beendet.

Wir schauen uns an. Etwas ist anders und es scheint in dieser kurzen Zeit des Kreisgesprächs passiert zu sein.

Vor der zweiten Sequenz machen wir eine Gehmeditation im Garten – wir sollen „in Furchtlosigkeit“ gehen, sagt Katharina. Wir durchqueren den Garten – das nasse Gras- in Schuhen oder barfuss – in graden Linien – im Kreis- alles ist möglich. Nur immer in den Füßen bleiben mit der Aufmerksamkeit und in der Bewegung des Laufens. Ich spreche in mir: „ich hab keine Angst – ich fürchte mich nicht“, eine Weile vor mich hin. Es stimmt nicht, spüre ich. Ich wechsle zu „Hab keine Angst, fürchte dich nicht“ – das fühlt sich passender an – im Wechsel mit den ersten Worten. Wo ist die Furcht, wovor habe ich sie…? Ich spüre und gehe und denke und gehe. Ich spüre auch Mut und Kraft.

Wir wollen noch ein zweites Kreisgespräch machen, diesmal ohne thematische Vorgabe. Es ist anders und doch ähnlich. Wir benutzen verschiedene talking pieces (einige Frauen haben von ihrer Gehmeditation etwas mitgebracht), probieren eine Zeitbegrenzung aus und kommen auf andere Themen. Wieder entspinnen sich Resonanzen oder spannende Energien quer durch den Raum, jede spricht von sich, alle hören zu – und es erscheint wertvoll, so zu sprechen.

Katharina berichtet uns abschließend, wie sie zu Kreisgesprächen kam. Bei einem Retreat in Auschwitz, fühlte sie sich beglückt und lebendig, obwohl sie dort aufs Heftigste mit Ängsten, Schuldgefühlen und vielem mehr konfrontiert wurde. Sie spricht über Situationen, Begegnungen und Erinnerungen aus diesem Retreat mit leuchtenden Augen. Es klingt nach einem sehr tiefen Erlebnis. Katharina sagt, sie habe sich seitdem intensiv mit Kreisgesprächen befasst, sie erprobt und nutzt sie jetzt in vielen wichtigen Momenten ihres Lebens.

Ich habe das Gefühl, etwas zu verstehen, von dem was Katharina dort erlebt hat – und was sie auf eine Art befreit zu haben scheint.

Wir beenden diesen intensiven Tag mit dem Lied „Feder im Wind“ und Mantra Singen in der Tara-Klause, da schwingt das Herz noch mal auf einer anderen Frequenz.

Am Sonntag nach dem Qi Gong, beim Frühstück heben wir das Edle Schweigen auf. In der Abschluss-Runde beantwortet Katharina unsere Fragen zum Thema Kreisgespräch und wir berichten uns, wie wir diese gemeinsamen Praxistage erlebt haben.

Auf der Heimfahrt fühle ich mich glücklich, ruhig und inspiriert.

Judith

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