Willkommen im Netzwerk Lesben und Buddhismus

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Netzwerktreffen 2011

NLuB Netzwerktreffen Juni 2011  -  Zusammenfassung


Zum diesjährigen 11. Frühjahrstreffen des "Netzwerkes Lesben und Buddhismus" hatten wir Doshin Houtman eingeladen. Doshin ist Dharma-Lehrerin für Zen und Vipassana. Themenschwerpunkte des Treffens waren:

  • Dharma-Vortrag und Übungseinheiten zu Vipassana nach Ruth Denison (Doshin)
  • Vorstellung der Arbeit von Ruth Denison im Dhamma Dena Desert Vipassana Center/ Kalifornien (Doshin)
  • Vortrag zum Thema "Unser Platz im Buddhismus der Moderne - lesbische Sichtweisen" (Doshin)
  • Diskussionsthemen: Hat das Netzwerk Interesse, eine eigene Sangha zu gründen? Wollen wir die Einladung zu Netzwerk-Treffen auf nicht lesbisch orientierte Frauen ausweiten?
  • Im Folgenden werde ich die Tage, wie ich sie erlebt habe, schildern. Vielleicht weckt es Eure eigenen Erinnerungen oder auch Euer Interesse, wenn Ihr bei diesem Treffen nicht dabei sein konntet. Der Freitagmorgen begann mit einem "body sweeping", angeleitet von Doshin. Die Erfahrungen, die wir dabei machten, führte sie nach dem Frühstück mit einem Vortrag zu der Vipassana-Meditationstechnik "Mindful Movement" weiter, wie Ruth Denison sie entwickelt hat. "Wenn wir jeden Teil des Körpers achtsam wahrnehmen, hat der Geist keine Möglichkeit, wo anders hinzugehen." So hat Doshin den Ansatz von "Mindful Movement" gut verständlich zusammengefasst. Sie hat diese Meditationsmethode im Dhamma Dena Desert Vipassana Center, dem Meditationszentrum von Ruth Denison in der Wüste von Kalifornien gelernt. Ruth Denison ist eine Vipassana-Lehrerin, die die Lehre von der Körperwahrnehmung zum Mittelpunkt ihres Lebens gemacht hat. 1977 kaufte sie in Kalifornien ein Stück Land in der Wüste, um sich ab und zu mit ihren StudentInnen aus dem turbulenten Lehrbetrieb in der Stadt zur Meditation zurückziehen zu können. Im Laufe der Jahre entwickelte sich auf diesem Grundstück das Dhamma Dena Desert Vipassana Center. Mit Gespür und Liebe für die Menschen und einem gastfreundlichen Herzen nimmt sie bis heute alle Besucher auf, bewirtet und unterrichtet sie. Ruth Denison ist bekannt dafür, dass sie über die Entwicklung der Körperwahrnehmung auch sehr verstörten Menschen wieder einen Kontakt zu sich selbst vermitteln kann, so dass Heilung entsteht. In diesen Tagen ist sie dabei, ihre Nachfolge zu regeln, da sie die Leitung und Unterhaltung von Dhamma Dena aus Altersgründen nicht mehr alleine bewerkstelligen kann. Die Vipassana-Meditation hat Ruth Denison von ihrem burmesischen Lehrer U Ba Khin übernommen. Mit dem Ziel, eine alltagstaugliche Meditationspraxis für Laien zu entwickeln, griff er den Ansatz des "durch den Körper gehen" auf und entwickelte das "body sweeping" (den Körper fegen, auskehren). Dabei wird der eigene Körper mit Achtsamkeit systematisch durchwandert und jede Körperempfindung wird mit einer liebevollen Grundhaltung wahrgenommen. Ruth Denison erkannte, dass U Ba Khins Methodik sehr gut und heilsam war. In der Arbeit mit westlichen Menschen stellte sie jedoch fest, dass die im asiatischen Raum entwickelte Meditationspraxis nicht ohne weiteres von westlichen Menschen übernommen werden konnte. Im direkten Kontakt mit ihren SchülerInnen entwickelte sie daher Herangehensweisen, die für westliche Menschen geeignet sind.
    (s.a. "An Interview with Ruth Denison") Der Einblick in Ruth Denisons Meditationsschule wurde am Nachmittag ergänzt durch verschiedene Meditationseinheiten, in denen wir im Sitzen, Stehen und Gehen Körperachtsamkeit übten. Am Abend wurde dieser Tag, der in gewisser Weise Ruth Denison und ihrer Form der Vipassana-Meditation gewidmet war, durch den DVD-Film "Celebration of Ruth Denison", der anlässlich ih
    res 80. Geburtstages entstand, abgerundet. Wir konnten die Erfahrungen, die wir im Laufe des Tages gemacht hatten, nochmal einbinden in Bilder vom Meditationszentrum, von der Wüste und von Ruth Denison bei Vorträgen und Meditationsanleitungen.

    Auch der Samstag hatte einen ganz eigenen Charakter. Er war geprägt durch das Thema unseres Treffens "Unser Platz im Buddhismus der Moderne - lesbische Sichtweisen". Doshin erzählte die überlieferte Geschichte von Mahapajapati, der Tante von Siddharta Gautama, die ihn nach dem Tod seiner Mutter gestillt und aufgezogen hatte. Als diese den Buddha bat, einen Frauenorden gründen zu dürfen, wies er sie dreimal zurück. Erst auf Intervention von Ananda, des nächsten Vertrauten des Buddha, gewährte dieser ihre Bitte, allerdings mit harten Auflagen, die die dem Mann untergeordnete und abhängige Rolle der Frau zementierten. Buddha begründete den 4-fachen Sangha mit den Mönchen an der Spitze der Hierachie, gefolgt von den Nonnen. Darunter stehen männliche Laien und an der Basis die Laiinnen. Diese Hierarchie ist verbunden mit Kontrolle von oben nach unten und der Verteilung von Privilegien, sozialem Status und Unabhängigkeit. Sie ist Ausdruck einer patriarchalen Machtverteilung, die die Benachteiligung von Frauen zum Ziel hat. Sie besteht bis heute fort und bestimmt die Strukturen der meisten Sanghas. Frauen sind den Männern per Geschlecht untergeordnet. Und es ist davon auszugehen, dass in der Logik der derzeit üblichen gesellschaftlichen Anerkennung der Status von Lesben noch unterhalb dessen von Frauen angesiedelt ist.Aus moderner feministischer und lesbischer Sicht ist diese Ungleichbehandlung der Geschlechter untragbar. Trotzdem wird sie gelebt. Wie ist sie aus buddhistischer Sicht zu bewerten? 

    Doshin führte uns durch einen buddhistischen Diskurs zu dieser Fragestellung. Demnach gibt es nach den Kernwahrheiten des Buddhismus nichts unabänderlich Festes und auch wir sind ein Prozess im Wandel. In letzter Konsequenz gibt es auch keine Festlegung auf männlich/ weiblich. Unsere wahre Natur ist jenseits des Geschlechts. Die Konsequenzen dieser Betrachtungsweise enthielten sicherlich auch schon zu Buddhas Zeiten gesellschaftspolitischen Sprengstoff und es gibt Hinweise darauf, dass Buddhas Lehre bis zur Zeit ihrer Niederschrift den vorherrschenden Verhältnissen angepasst wurde. So leben wir bis heute eine, aus buddhistischer Sicht, paradoxe Gesellschaftsordnung, die Rita Gross, die sehr viel über die Rolle des Geschlechts im Buddhismus geforscht hat, wie folgt zusammenfasst: "Das Selbst existiert nicht, aber es hat ein Geschlecht." Soviel zu Doshins wunderbaren Ausführungen, die mich zum Lachen und gleichzeitig zum Weinen bringen.
    Am Samstag Nachmittag führten wir Gedanken vom Morgen und weitere anstehende Themen im Plenum weiter. Im Folgenden fasse ich die beiden Schwerpunkte der Diskussionen zusammen. Hat das Netzwerk Interesse, eine eigene Sangha zu gründen?

    • Angesichts der patriarchalen und damit ausgrenzenden Ausprägung der meisten Sanghas hat Doshin die Überlegung in den Raum gestellt, selbst eine Sangha der "in betweens" (derer, die "dazwischen" sind) zu gründen. Gemeint ist eine Sangha ohne Festlegungen/ Hierarchien z. B. aufgrund des Geschlechts, der Orientierung oder der Zugehörigkeit zu einer buddhistischen Tradition.

    • Unabhängig von Doshins Idee besteht auch im Netzwerk bei einigen der Wunsch, auch außerhalb der Netzwerktreffen mehr miteinander in Verbindung zu stehen und evtl. eine "Netzwerk-Sangha" zu entwickeln. Wir würden uns damit als Gruppe auch außerhalb der Netzwerktreffen enger miteinander verbinden und wir hätten neue Möglichkeiten, sichtbar zu werden und als lesbische Sangha Lesben anzusprechen.

    • Es bestehen auch Überlegungen, eine Online-Sangha im Internet zu gründen.

    • Da Doshin selbst Dharma-Lehrerin für zwei buddhistische Richtungen ist und während des Treffens deutlich wurde, dass sie sehr gut zum Netzwerk passt, bestehen Überlegungen, ob sie möglicherweise eine Funktion als Dharma-Lehrerin im Netzwerk übernehmen könnte.

    • Doshin hat das "mission statement" (Leitbild) einer lesbischen Sangha in USA mitgebracht, die bis zu den Praxistagen auf Deutsch übersetzt vorliegen wird. Vielleicht inspiriert sie uns in unserer eigenen Entwicklung. Es bestehen auch Überlegungen, mit dieser Sangha Kontakt aufzunehmen und in Austausch zu kommen.

    Diese Fragen sind im Rahmen dieses Netzwerktreffens aufgekommen und werden zukünftig sicherlich weiterentwickelt.
    Wollen wir die Einladung zu Netzwerk-Treffen auf nicht lesbisch orientierte Frauen ausweiten? Diese Frage führte zu sehr berührenden Statements, die deutlich machten, wie wichtig für viele von uns "lesbische Räume" sind, zu denen Lesben explizit eingeladen werden und in denen sie sich selbstverständlich bewegen und ausdrücken können. Bei einerÖffnung für nicht lesbisch orientierte Frauen besteht die Sorge, dass diese Freiheit verloren gehen könnte. "Ich möchte mich in dieser Runde nicht erklären müssen". Diese Aussage hat für mich dieses Anliegen klar auf den Punkt gebracht. Diese Vorbehalte gegen eine Öffnung entstammen leidvollen Erfahrungen. Viel Inspiration, viele Ideen, Gruppen, Projekte und politische Bewegungen wurden maßgeblich von Lesben angeregt und ins Leben getragen, nicht zuletzt die Ausbreitung des Buddhismus im Westen. Ab dem Moment, in dem diese Gruppen und politischen Bewegungen etabliert waren, versanken die Lesben der ersten Stunde in der Namenlosigkeit. Und viele Lesben, die heute in Gruppen oder Bewegungen aktiv sind, wagen oft nicht, sich als Lesbe zu outen, weil das für sie immer noch mit unvorhersehbaren und unangenehmen Folgen und Festlegungen verbunden sein kann. Als Fazit habe ich mitgenommen: Wir erweitern den Kreis der eingeladenen Frauen nicht, um uns selbst zu schützen - und: Wir sind offen für alle Frauen, die sich von unserer Einladung angesprochen fühlen. Ihr seht, vieles ist in Bewegung gekommen und wir sind miteinander in Kontakt. Zum Schluss noch zwei freudige Nachrichten: Angelika hat sich entschlossen, sich dem Orga-Team anzuschließen ;-) Wir sind dabei, die Regionalgruppe im Raum Karlsruhe-Freiburg wieder zu beleben ;-) Für heute liebe Grüße
    Maria

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